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Kyudo

Kyudo

Die Kunst des japanischen Bogenschießens

Kyudo gehört zu den ältesten japanischen Kriegskünsten, und hat sich als erste von der ausschließlich technischen Kunst (Kyu-Jitsu, Kyu =Bogen, Jitsu = Kunstfertigkeit) zu einer existentiellen Übung, dem "Weg des Bogens" (Kyu-Do, Do = Weg) verwandelt.

Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts diente der Bogen den japanischen Rittern (Bushi) als Jagd- und Kriegswaffe. Mit der Einführung der Muskete war der Bogen kriegstechnisch nicht mehr von Bedeutung, behielt aber seinen Wert bei der Jagd, den sportlichen Vergnügungen des Adels und den Zeremonien.

Der asymmetrische japanische Bogen, 1/3 unter, 2/3 über dem Griff, unterscheidet sich nicht nur im Konstruktionsprinzip von den westlichen Bögen, sondern erfordet auf Grund seiner Bauweise auch eine spezielle Schusstechnik, deren augenfälligste Merkmale der nach rechts aussen angelegte Pfeil, das Ziehen der Sehne mit dem Daumen und "das Zielen mit dem Körper" sind. Die Pfeile sind im Gegensatz zum westlichen Bogenschießen verhältnismäßsig lang, bedingt durch den weiten Auszug des Bogens, der ungefähr der halben Körperlänge des Schützen entspricht. Der Handschuh ist aus Leder mit einem verstärkten, starren Daumenteil. Er besitzt eine Sehnengrube an der Innenseite des Daumens und dient dem Auszug der Sehne und dem Halten des Pfeils.

Kyudo ist - auch wenn es für den Betrachter häufig sehr statisch aussieht - eine Ganzkörperbewegung mit sehr komplexen Koordinations- und Reaktionsaufgaben. Stand- und Balanceprobleme, eine bewusste Atemführung, das Erkennen der "richtigen Gelegenheit" (rational und/oder intuitiv) sowie die dazugehörige mentale Arbeit müssen gemeistert werden. Die nur 36 cm Durchmesser große Zielscheibe (Mato) in 28 m Entfernung ist unbestechlich, und der Schütze erfährt schnell, dass der Gegner nicht das Mato, sondern er selbst ist.

Obwohl nicht über den Pfeil gezielt wird, kann der Schütze das Ziel treffen. Dies gelingt allerdings nur, wenn es dem Schützen gelingt, den Schuss als sich gleichmäßig steigernde Bewegung, ohne Halt und Zögern, bis zum Auslösen des Pfeils hin zu gestalten. Da das Treffen der Scheibe nur die Funktion hat, dem Schützen seinen Zustand zu spiegeln, ist verständlich, dass bei dieser Art des Bogenschießens nicht das Trefferergebnis allein von Bedeutung ist, sondern vor allem das "Wie treffe ich" (sicher, unverkrampft, elegant, ehrgeizig, verbissen, usw.) über den Grad der Meisterschaft bestimmt. Die Qualität des Lernprozesses wird darum höher angesetzt als das Endergebnis, denn nach japanischem Verständnis ist das Ziel aller Übung, mit Hilfe des Bogens und in der Auseinandersetzung mit der Schießtechnik einen Daseinszustand zu erreichen, der vom "Frieden des Herzens" geprägt ist.

Uwe Breutnagel-Buchner, Sektion Kyudo

Homepage: http://kyuvbw.de/